Freitag, 24. November 2017


"Verbind' mir die Augen, ich komm' blind zurecht, kenn' jeden Winkel hier längst auswendig. Fühl' mich dort fremd, wo mein Zuhause ist, ob's wieder besser wird, weiß ich nicht."


Als ich "Frische Luft" zum ersten Mal gehört habe, hat mich fast der Schlag getroffen. Er spricht mir aus der Seele, wie es bisher kein anderer Song geschafft hat. Für mich ist er mittlerweile einer der wichtigsten Song in meinem Leben. Es ist, als hätte mir Wincent in den Kopf geschaut und dann diesen Song geschrieben.

Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen; es ist ein typisches Kaff, in dem jeder jeden kennt und passieren tut hier auch nicht viel. Bisher habe ich mein ganzes Leben dort verbracht, bevor ich letztes Jahr im August nach Dortmund gegangen bin. Dafür gibt es auch einen Grund. Nach 18 Jahren kannte ich dieses Dorf so in- und auswendig, dass ich mich dort eingeengt und immer unwohler gefühlt habe. Mir fehlte dort einfach die Luft zum Atmen und ich hatte das Gefühl, mich dort nicht richtig entfalten zu können. Zeitweise plagten mich Schuldgefühle, weil ich es als falsch empfand, meine Heimat nicht mehr zu mögen. Darüber habe ich mit niemandem wirklich gesprochen, ich habe das alles eher mit mir selber ausgemacht und umso tröstender fand ich dann diesen Song, durch den mir bewusst wurde, dass es auch anderen Menschen so wie mir geht.
Als ich dann fertig mit der Schule war, habe ich "meine Jacke genommen und bin einfach losgelaufen" - okay, wohl eher mit dem Zug gefahren, aber es geht ums Prinzip. Irgendwie musste es nach der Zeit am Gymnasium weitergehen und, da ich die Art von Ausbildung, die ich machen wollte, sowieso nicht in der Nähe absolvieren konnte, entschloss ich mich, meine sieben Sachen zu packen und für ein Jahr nach Dortmund zu gehen. Für meine Verhältnisse war das schon ziemlich weit von der Heimat entfernt und, auch wenn ich anfangs mit Heimweh zu kämpfen hatte, konnte es in dem Moment nicht weit genug weg von Zuhause sein.
Aber es war ein wichtiger Schritt für mich - und wahrscheinlich der einzig richtige, den ich hätte gehen können. Die neue Situation war zwar ungewohnt, doch ich lebte mich recht schnell ein und fand an meinem "neuen" Leben immer mehr gefallen.

Mittlerweile bin ich 20 Jahre alt, habe eine abgeschlossene Ausbildung, fange nächstes Jahr in meine Heimat noch ein Studium an und ich kann mich selber wieder leiden. Ich bin stärker, offener und selbstbewusster geworden und ertrage sogar meine Heimat wieder.

Wenn es ein Gefühl gibt, das ich mit der Musik von Wincent verbinde, dann ist es Dankbarkeit. Dank der Musik von Wincent habe ich mich im letzten Jahr weniger alleine gefühlt, dank Wincent habe ich wundervolle Menschen kennen gelernt. Ich bin dankbar, Teil von etwas so Schönem sein zu dürfen.


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