Samstag, 11. November 2017

Ein Jahr


"Heimweh ist die Sehnsucht in der Fremde, wieder in der Heimat zu sein."
Das ist das Erste, was mir ins Auge sticht, wenn ich das Wort "Heimweh" google - gefolgt von diversen Artikeln über Heimweh im Studium, bei Auslandsaufenthalten und Tipps, was bei Heimweh hilft.
Je länger ich mich mit dem Thema beschäftige und je mehr ich über die Erfahrungen anderer Leute mit Heimweh lese, umso größer wird der Kloß in meinem Hals, den ich schon seit fast zwei Monaten mit mir herumtrage. Denn manchmal ist Heimweh nicht zwangsläufig die Sehnsucht nach der Heimat. Manchmal kann man auch zu Hause sein und sich nach einem Ort sehnen, der auch quasi eine Art Heimat ist.

Ich dachte jahrelang, dass Berlin so etwas wie ein zweites Zuhause für mich ist. Jedenfalls hat es sich immer wie nach Hause kommen angefühlt, wenn ich der Hauptstadt mal wieder einen Besuch abgestattet habe. Aber irgendwas hat sich geändert und Berlin ist nicht mehr meine Nummer Eins und auch dieses mir so bekannte "Du bist zu Hause"-Gefühl ist nicht mehr da.

Als ich als kleines Dorfkind letztes Jahr im August für meine Ausbildung nach Dortmund gegangen bin, war das für mich eine riesige Umstellung - vom (nicht ganz) 1000-Seelen-Dorf in die Stadt mit knapp 600.000 Einwohnern. Plötzlich war ich für mich alleine verantwortlich und lebte in einer Stadt, in der ich zuvor noch nie gewesen war. Wahrscheinlich würde ich heute noch zwischen Westfalenpark und Stadtgarten rumirren, wenn ich versucht hätte, mich ohne Stadtplan und Google Maps zurechtzufinden.
Am Anfang dachte ich, dass dieses eine, verdammte Jahr nie rumgehen würde. Und auf einmal hatte ich nicht nur meine schriftliche Prüfung bestanden, sondern auch die mündliche und alles war so schnell vorbei, als hätte ich nur einmal kurz geblinzelt.
Dass ich die Stadiontour letztes Jahr nicht mitmachen konnte, weil ich zu großes Heimweh hatte, ist zwar schade, aber ich bereue es nicht, nach Hause gefahren zu sein, anstatt in Dortmund zu bleiben. So ein Stadion kann schließlich nicht so leicht weglaufen.

Innerhalb eines Jahres ist Dortmund meine zweite Heimat geworden. Das, was anfangs noch so unbekannt, groß und unübersichtlich schien, hat sich schnell zu etwas entwickelt, was ich nur sehr ungern verlassen habe. Ich habe das Alleinsein gelernt und mag es mittlerweile sogar ganz gerne (obwohl ich der Meinung bin, dass das eher an meiner Introvertiertheit liegt). Und auch jetzt gerade, während ich zu Hause sitze und diese Zeilen tippe, ist mein Herz doch irgendwie noch in Dortmund. Ich muss es wohl dort vergessen haben, als ich nach meiner bestandenen mündlichen Prüfung den endgültigen Heimweg in mein Heimatkaff angetreten habe.
Trotzdem kann ich es mir nicht vorstellen, dass ich auf die Dauer dorthin ziehe. Dafür habe ich dort wahrscheinlich nicht zu sehr Wurzeln geschlagen, mich würde dort nicht viel mehr halten als die Liebe zu Stadt und Verein. Und irgendwie ist es "dort drüben" auch anders als in meinem Magdeburg. Wenn es aber näher an meinem Zuhause liegen würde, ich würde sofort meine sieben Sachen packen und wieder nach Dortmund abhauen, um mir dort mein eigenes Leben aufzubauen. Und dieses Mal richtig, nicht nur für ein Jahr.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, seine (Wahl-)Heimat so sehr zu vermissen, während man doch eigentlich zu Hause ist. Ich fühle mich hin und her gerissen und frage mich oft, ob das überhaupt geht. Ob es gerechtfertigt ist, einen Ort zu vermissen, an dem man nur ein Jahr gelebt hat. Ich bin so dankbar dafür, so ein wundervolles Jahr dort verbracht zu haben. Mich trennen momentan zwar ungefähr 350 Zugkilometer von Dortmund, aber aus der Welt ist es deswegen noch nicht. Ich komme zurück. Bald.

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